Der Europäische Gesundheitskongress München startet

München, 10.10.2024 – Am heutigen Donnerstag ist der Europäische Gesundheitskongress München gestartet. Bei der Eröffnungsveranstaltung betonte die bayerische Gesundheits-, Pflege- und Präventionsministerin, dass die großen Herausforderungen im Gesundheitswesen am besten mit einem überparteilichen Commitment und einem Schulterschluss mit Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitswesen bewältigt werden können. Dänemark beweise, dass es möglich sei, bei Themen, die die gesamte Gesellschaft angehen, einen überparteilichen und gesamtgesellschaftlichen Konsens zu schaffen. Erst dann würden die Veränderungen tatsächlich vor Ort mitgetragen und hätten auch in den kommenden Jahren Bestand, betonte die Ministerin.

Gerlach begrüßte den Ansatz des Europäischen Gesundheitskongresses, der in diesem Jahr unter dem Motto „Umsetzungsrevolution im Gesundheitswesen – Eigeninitiative ist der Schlüssel zum Erfolg!“ stattfindet. „Wir müssen die Gestaltungsspielräume, die wir haben, nutzen und mit Mut sowie auch einem gewissen Optimismus mitgestalten und nicht alles nur pessimistisch sehen“, appellierte sie an die Kongressteilnehmerinnen und -Teilnehmer.

Das System sei potenziell zu großen Änderungen bereit, betonte Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit. Als Beispiel nannte er die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte. Storm zeigte sich zuversichtlich, dass diese gelingen wird. „Um das Gesundheitswesen zukunftsfähig aufzustellen, brauchen wir aber ein gemeinsames Zielbild“, betonte auch er. Im Moment sei man aber noch weit davon entfernt. „Ich hoffe sehr, dass wir die nächsten Monate im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl dazu nutzen können, einen breiten Konsens zu schaffen“, sagte Storm. „Wir sollten aus der konfrontativen Haltung herauskommen, um eine gemeinsame Vorstellung zu entwickeln, damit wichtige Reformen breit getragen werden.“

„Manchmal ist weniger mehr“

In seiner Keynote betonte Prof. Dr. Magnus Jensen, Direktor des Steno Diabetes Center in Kopenhagen, dass die Probleme im Gesundheitswesen in allen entwickelten Ländern ähnlich seien: Dazu gehören Fachkräftemangel, Demografie und steigende Kosten. „Der einzige Weg, die Probleme zu lösen, besteht aber nicht darin, mehr von demselben zu tun, sondern es anders zu machen“, machte er deutlich. „Manchmal ist weniger mehr.“

Genau diesen Ansatz verfolgt das Steno Diabetes Center, größtes und modernstes Diabeteszentrum in Skandinavien, mit einem Tool namens „StenoLife“ (Individualised digitally-assisted need-based clinic, deutsch: Individualisierte, digital unterstützte bedarfsorientierte Klinik), das seit Oktober 2024 zur Betreuung von Diabetes-Patientinnen und -Patienten eingesetzt wird. Unter anderem finde eine Triage statt, wobei entschieden werde, welche Patientinnen und Patienten für das digitale Tracking geeignet seien, erläuterte er das Konzept. Diese würden digital überwacht und nur dann kontaktiert – zunächst telefonisch oder digital –, wenn das Team im Steno Diabetes Center problematische Werte feststelle. Das schone sowohl personelle als auch finanzielle Ressourcen, weil Patienten viel seltener vorstellig werden müssten. Zudem habe sich gezeigt, dass das kontinuierliche Tracking dabei helfe, vorherzusagen, bei welchen Patienten das Risiko eines diabetischen Fußes erhöht und eine jährliche Kontrolle deshalb notwendig sei, und bei welchen eben nicht, so dass Kontrolle weitaus seltener stattfinden müssten, sagte Jensen. Solche neuen Behandlungsansätze seien nicht nur bei Diabetes anwendbar, sondern bei allen chronischen Erkrankungen, betonte er.

Deutschland wird mit multiplen Transformationsprozessen konfrontiert

Wie groß die Herausforderungen sind, denen Deutschland in den kommenden Jahren begegnet, verdeutlichte Prof. Dr. Thomas Bauer, Vizepräsident des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Deutschland werde sich multiplen Transformationsprozessen stellen müssen. Sie alle würden direkt oder indirekt den Gesundheitssektor beeinflussen und dessen erhebliche Anpassungen erfordern. Bauer betonte, dass die Gesundheits- und Pflegekosten erheblich ansteigen werden, und empfahl, einerseits die Gesundheitsausgaben durch Erhöhung der Effizienz zu verringern und andererseits die Einnahmen – etwa durch eine Veränderung der Finanzierungsstruktur zu stabilisieren.

Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem zeigte sich pessimistisch, dass das System in der Lage sei, Effizienzreserven zu erzielen. „Wir werden entweder Leistungszuwächse begrenzen oder Mehrausgaben finanzieren müssen, oder sogar beides“, sagte er. Zu den Kriterien einer Begrenzung der Leistungszuwächse sei eine gesellschaftliche Diskussion erforderlich.

„Bevor wir bei Rationierung sind, haben wir die Verpflichtung, alle Effizienzreserven zu heben“, erwiderte Dr. Irmgard Stippler, Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern. Man müsse dabei unter anderem auf Prävention, Gesundheitskompetenz und die Digitalisierung setzen.

Heute und morgen diskutieren Teilnehmer aus Klinik und Praxis, aus Gesundheitspolitik und -wirtschaft, aus der Forschung und Wissenschaft sowie der Pflege in insgesamt 37 Sessions über Themen, die das Gesundheitswesen heute und in den nächsten Monaten bewegen.

Bildmaterial zum Kongress: Bildmaterial

Ihre Kongressleiterin

Claudia Küng

Zurück